Wir
kauern unter den Regenschirmen und sehen dem ersten Anbiss
entgegen. Der Wind braucht nicht stärker zu werden, weil
sonst die Bissanzeiger verrückt spielen. In übertriebener
Vorsicht vertäut Rolf sein Schlauchboot auf dem Ufer
und verstaut alle wasserlöslichen Utensilien darunter.
Und nur für den Fall der Fälle bauen Rolf und Arnold
ihre Zelte auf, um sich gegebenenfalls ein trockenes Plätzchen
zu sichern. Aber soweit wird es nicht kommen. Sie haben etwas
zu viel Fantasie. Obwohl, jetzt peitscht der Wind den Regen
bis unter den Angelschirm. Doch alles nicht so schlimm, schließlich
hat der ein Gestänge zum Tieferstellen und eine Hand
zum Halten habe ich ja noch frei. Kein Grund die halb leere
Bierflasche in der anderen Hand aufzugeben.
Der Himmel ist grau, lediglich ein schwarzer Wolkenstreifen
zieht sich quer von Süd nach Ost. Am Westhorizont, ganz,
ganz hinten oder noch darunter, ahne ich das Abendrot. Ich
halte mit meiner optimistischen Durchhalteparole nicht zurück.
Hätte ich beim Reden allerdings die Hand vom Schirm genommen,
wäre er weg. Der Wind lässt keinen Zweifel aufkommen,
dass ich bei der nächsten Böe als Pusteblume ende.
Was bleibt mir mangels trockenem Zelt übrig als: Schirm
zu, Stühle unter das Schlauchboot, Frau unter den Arm
und ab im gestreckten Schweinsgalopp zum Auto. Die unendlichen
100 Meter bis dorthin schaffe ich in neuer persönlicher
Bestzeit. In dem Moment als ich die Tür hinter meiner
Angetrauten und mir zuschlage, schüttet jemand einen
Eimer Wasser dagegen.
Der Windsurfer auf dem See gleicht einer Treibpose zwischen
den schaumigen Wellen. Seine zum Scheitern verurteilten Versuche
das Segel aufzurichten, treiben ihn nur noch schneller in
die ausgelegten Ruten unserer Nachbarn. Trotz des Regens brechen
sie in wilde Beifallsbekundungen aus.
Und dann bricht das los, was mir die weitere Sicht nimmt.
Trotz kurzer Lichtspots aus der schwarzen Wolkenmasse vermag
ich hinter der Wasserwand in der Dunkelheit nur zu ahnen,
was neben und über uns passiert. Der Donner kracht zum
Fischerschlagen. Das Wasser im See muss kochen. Wenn nicht
der Wind am Auto rüttelt, müssen es die Vibrationen
des Seeufers sein, das unter den Wellenschlägen erzittert.
Im größten Heulen des Windes und zwischen zwei
Donnerschlägen schlagen blechern und dumpf Autotüren
neben uns. Die Sicht reicht immer noch nur eine Armlänge
in das Chaos. 21:30 Uhr ebbt das Inferno ab und die Dämmerung
kehrt zurück. Der Regen trommelt lediglich Stakkato auf
das Blech. Zelte erkenne ich im Zwielicht nicht mehr. Dafür
drücken sich im Auto neben uns Gesichter an die Scheiben.
21:45 Uhr klafft am Westhimmel ein schmaler scharlachroter
Streifen über dem Horizont. Die
Stadtsilhouette von Leipzig hebt sich davor als Scherenschnitt
ab. Außer mir hat keiner der Angler einen Blick für
die Schönheit des Momentes. Ich kann ihn mir gönnen,
weil ich als einziger trocken blieb.
Die Anglerzelte liegen verklumpt im Gebüsch. Die Schlafsäcke
sind Schwämme. Aber wenigstens steht in den Zelten kein
Wasser.
Ich bin beeindruckt: Trotz 100 Kilo Lebendbeschwerung und
Wassereinbruch wären
Sie beinahe zu Fluginstrumenten mutiert.
Wir bergen im knöcheltiefen Heilschlamm unsere Angelutensilien
und finden ... nicht alles, aber, dass die beste Beißzeit
gerade vorbei ist ...
G. K.
|